Es handelt sich um ein weltweites Novum. In Frankfurt wurde ein IS-Kämpfer wegen Völkermord an den Jesiden schuldig gesprochen. Grundlage ist der Tod eines 5-jährigen jesidischen Mädchens, welches der Verurteilte in der Sommerhitze an ein Fenstergitter gebunden hatte. Für seine Tat wird der 29-jährige Iraker lebenslang in Haft gehen. Die Entscheidung des Oberlandesgericht Frankfurt ist bislang weltweit einmalig. Die Aufklärung von Völkerrechtsverbrechen fernab der Tatorte und Völkermord als Tatbestand ist schwierig. Umso bedeutender ist dieses Urteil, welches ein Völkerrechtsverbrechen an der Religionsgemeinschaft der Jesiden anerkennt und über die nationalen Grenzen hinweg verfolgt.
Das Schicksal der Jesiden im Gebiet des Islamischen Staats
Die deutsche Frau des Verurteilten und ebenfalls Anhängerin des Islamischen Staats erhielt in einem separaten Verfahren eine 10-jährige Haftstrafe. Ihre Vergehen lauten u.a. Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Sklaverei mit Todesfolge sowie Mordbeihilfe durch Unterlassung. Das getötete 5-jährige Mädchen Reda wurde mit ihrer Mutter im Haus der beiden Verurteilten als Sklavin gehalten. Die Jesidin Nora T. wurde mit ihrer Tochter, wie viele jesidische Frauen und Kinder von Anhängern der Terrormiliz IS nach Falludscha im Nordirak verschleppt. Dort wurde sie gezwungen die Wäsche zu machen, zu putzen und den Haushalt zu übernehmen. Nach annahmen der Vereinten Nationen haben über 7000 weibliche Jesiden dieses Schicksal erlebt. Über Tausend jesidische Männer wurden durch IS-Kämpfer systematisch verfolgt und ermordet. Hintergrund ist u.a. ihr Glaube an ihren Gott und an Engel.
Verbrechen an der Menschlichkeit mit Todesfolge
Am Tag der Tat hatte die 5-jährige Reda das Bett eingenässt. Daraufhin entschied der verurteilte Iraker das Mädchen in ein Fenstergitter zu binden. In der heißen Sonne dieses Augusttages im Jahr 2015 verstarb das Kind. Genozid, als eines der schwerstes Straftaten im Völkerstrafrecht ist schwer zu beweisen. Im Fall der kleinen Reda wurde das Urteil nun für die Jesiden zum allerersten Mal gefällt. Die Verteidigung versuchte hingegen den Tag des Mädchens als Unfall darzustellen. Mögliche Vorerkrankungen des Kindes wurden ins Spiel gebracht sowie Zweifel an dem Tod des Mädchens gesät.
Das Weltrechtsprinzip im Völkerstrafgesetzbuch
Dieses Rechtsprinzip erlaubt eine Verfolgung von Straftaten durch deutsche Staatsanwälte und Gerichte selbst dann, wenn diese im Ausland oder/und durch Ausländer begangen wurden und die Opfer keine deutsche Staatsbürger sind. In diesem Verfahren wurde der Beschuldigte zudem im Ausland verhaftet und extra nach Deutschland ausgeliefert. Mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt wurde ein wichtiger erster Schritt im Hinblick auf die Verurteilung der Völkermorde an den Jesiden gegangen. Die Mutter Nora T. befindet sich mit mittlerweile ihrem letzten lebenden Sohn in einem deutschen Zeugenschutzprogramm. In dem Strafverfahren sagte sie selbst als Zeugin aus. Unter anderen die Menschenrechtsanwältin Amal Clooney gehört zu ihren Unterstützerinnen.
Der Plan des IS zur Auslöschung der Religionsgemeinschaft der Jesiden
Viele Jahre werden durch die Bundesanwaltschaft bereits Beweise für Völkermorde durch Anhänger des Islamischen Staates gesammelt. Die Ressourcen des deutschen Staates sind hierbei jedoch begrenzt. Vonnöten wäre ein internationaler Strafgerichtshof, z.B. mit Sitz im Irak. Eine solche Instanz hätte mehr Mittel zur Hand, um wenigstens einen großen Teil der Völkerrechtsverbrechen durch die IS-Terrormiliz aufzuklären. Ein solches Straftribunal ist jedoch nicht in Aussicht. Für die Mutter der kleinen Reda hat sich der Wunsch nach Gerechtigkeit vielleicht ein klein wenig durch das Urteil erfüllt. Mit der Entscheidung erinnert das Oberlandesgericht Frankfurt an einen den ersten Artikel im Grundgesetz: Die Würde des Menschen ist unantastbar.
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