Die Verurteilte und die Richterin liegen mit ihrer Einstellung zum Abtreibungsparagraph 219a gar nicht so weit auseinander. Aber Gesetz ist Gesetz und daher wird die Ärztin Kristina Hänel erneut wegen Verstoßes gegen § 219a StGB “Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft” verurteilt.
Wichtige Informationen zum Schwangerschaftsabbruch
Die Medizinerin bietet ihren Patientinnen auf ihrer Homepage ausführliche Informationen zum Schwangerschaftsabbruch. Neben der Veröffentlichung, dass sie diesen Eingriff in ihrer Praxis anbietet, klärt sie auch über Methoden zum Schwangerschaftsabbruch und mögliche Risiken auf. Bereits seit fünf Jahren ermöglicht Kristina Hänel ihren Patientinnen sich auf ihrer Internetseite über dieses Thema zu informieren. Gemäß § 219a des Strafgesetzbuches ist dieses Verhalten jedoch verboten. Die Ärztin wurde daher wegen gesetzeswidrigen Verhaltens erneut zu einer Geldstrafe verurteilt.
Die Richterin übt Kritik
Bei der Urteilsverkündung positioniert sich auch die Richterin Regine Enders-Kunze ganz klar gegen die bestehende Gesetzeslage. Ihrer Meinung nach lässt sich schwer erklären, warum die neutrale Aufklärung über eine solche medizinische Operation strafrechtlich verfolgt wird. Der medizinische Eingriff selbst ist in Deutschland nämlich nicht strafbar. Sie stellt darüber hinaus die Frage, ob sich § 219a StGB überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbaren lässt und welches Interesse oder Gut hier rechtlich zu schützen sei. Richterin Regine Enders-Kunze zweifelt auch daran, dass die Verfolgung von Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch mittels Strafgesetzes einen guten Weg darstellt. Die Verurteilung zu einer Ordnungswidrigkeit würde ihrer Ansicht nach ausreichen, wenn überhaupt.
Die Gesetzeslage spricht anders
Eine Veränderung dahingehend, ob und mit welchen Mitteln die Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch sanktioniert wird, kann jedoch nur das Bundesverfassungsgericht vornehmen. Daher bleibt der Richterin der 4. Kammer des Landgerichts Gießen keine andere Wahl, als das Urteil des Landgerichts Gießen zu bestätigen. Anders als im ersten Urteil muss die Medizinerin jedoch jetzt nur noch 25 Tagessätze à 100 Euro anstatt 40 Tagessätze à 150 Euro zahlen. Außerdem musste die Ärztin alle Informationen zum Vorgang, den Methoden und den Risiken eines Schwangerschaftsabbruchs von ihrer Praxisseite nehmen. Erlaubt sind weiterhin Verweise auf Webseiten, welche dazu autorisiert sind diese Informationen zu veröffentlichen, wie beispielsweise die Bundesärztekammer.
Nicht mehr zeitgemäß
Doch die Ärztin und ihr Anwalt wollen solange Rechtsmittel einlegen, bis der Fall vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt wird. Nach Kristina Hänel’s Verteidiger Karlheinz Merkel muss der Paragraph 219a StGB auch im geschichtlichen Kontext betrachtet werden. Die moralischen Vorstellungen waren beim Erlass des Gesetzes andere als heute. Seiner Meinung nach wollte man dafür sorgen, dass der Abbruch einer Schwangerschaft nicht als normale Handlung dargestellt wird. Merkel befasst sich auch mit der Frage inwieweit der Staat überhaupt befugt ist bei moralischen Fragestellungen einzugreifen. Die verurteilte Ärztin jedoch empfindet § 219a StGB als verfassungswidrig. Sie sieht das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung sowie seinen Beruf frei zu wählen und auszuüben verletzt. Zudem werden Frauen, ihrer Ansicht nach durch den Paragraphen 219a StGB übermäßig in ihrer Freiheit, sich ungehindert zu informieren, eingeschränkt.
Das Urteil motiviert die Ärztin
Auch wenn das Gericht den Verstoß der Medizinerin gegen Paragraph 219a StGB bestätigt hat, so unterstützen die Äußerungen der Richterin zugleich die Einstellung von Kristina Hänel. Diese Einschätzung der Richterin sowie die Skepsis des vorherigen Richters am eigenen Urteil motivieren die Ärztin weiter zu machen und sich mit aller Kraft für die Abschaffung des umstrittenen und nicht mehr zeitgemäßen Paragraphen einzusetzen.
Als Rechtsanwalt für Strafrecht informiere ich Sie gerne zu den relevanten rechtlichen Regelungen für Ärzte und Mediziner. Wenn Sie Fragen zu den Gesetzen eines Schwangerschaftsabbruchs haben, können Sie sich ebenfalls gerne an mich wenden.
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